Sehr geehrter Herr Kreistagsvorsitzender,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
jetzt stehen wir heute hier in Taunusstein. Einen Tag nach der Bundestagswahl und debattieren den Kreishaushalt für das Jahr 2025. Eigentlich sollte eine solche Debatte so ablaufen, dass wir als Fraktionen darüber sprechen, welche Schwerpunkte wir für das kommende Jahr setzen wollen. Eigentlich ist die Aufstellung des Haushaltes eine souveräne Entscheidung des Parlaments. Eigentlich gilt das Recht zur Debatte und Verabschiedung des Haushaltes als das „Königsrecht“ eines demokratisch gewählten Parlamentes. Denn es ist für uns als Parlamentarier ein zentrales Werkzeug, um die Verwaltung zu kontrollieren und somit unserer Aufgabe für die wir gewählt wurden gerecht zu werden.
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, das entscheidende Wort ist wohl „eigentlich“.
Denn diese Grundannahmen, die lange Zeit die kommunalpolitischen Abläufe in Deutschland aber auch hier bei uns im Rheingau-Taunus-Kreis bestimmt haben, gelten nicht mehr. Und deswegen passt es ganz gut, dass wir in einem direkten zeitlichen Umfeld einer Wahl auf einer höheren politischen Ebene auch über den Kreishaushalt sprechen.
Denn ich stimme dem Landrat durchaus in seiner Analyse zu, dass die Probleme, mit denen wir uns im Moment konfrontiert sehen, nicht nur hausgemacht sind. Es ist nun mal festzustellen, dass sich die Rahmenbedingungen von unserem politischen Handeln in den letzten Jahren massiv verändert haben.
Da ist das Thema Sicherheit. Zum einen tobt seit auf den Tag genau drei Jahren ein schrecklicher Krieg in der Ukraine. Ausgelöst von einem Diktator namens Putin, der aus purem Größenwahnsinn meint, sich andere Staatsgebiete aneignen zu können. Hinzu kommt noch, dass Putin mit dem Amtsantritt von Donald Trump einen Unterstützer der besonderen Art bekommen hat. Stets verlässliche sicherheitspolitische Annahmen werden gerade aufgeweicht und auch wenn ich die finanziellen Mittel lieber anders investiert hätte, ist es klar, dass wir stärker in unsere nationale und vor allem in die europäische Verteidigungsfähigkeit investieren müssen.
Das zweite große Thema ist der Bereich der Wirtschaft. Das Kartenhaus der günstigen Energieversorgung mit fossilen Energieträgern wie Gas aus Russland ist zusammengefallen. Die jahrelange Verschleppung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien hat für eine beispiellose Inflation gesorgt. Auch wenn es in den Jahren der Ampel Regierung einige Probleme gab, bin ich Robert Habeck unglaublich dankbar dafür, dass er beim Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich das Gaspedal durchgetreten hat und nun dafür sorgt, dass unsere Energiepreise nachhaltig günstiger werden. Und an dieser Stelle möchte ich nun die Brücke schlagen zu den Herausforderungen auf der kommunalen Ebene. Aus allen politischen Ecken hören wir, dass die Einnahmen im Bereich der Gewerbesteuern steigen müssen. Auch dieser Kreistag hat die Verwaltung dazu aufgefordert mit einem Wirtschaftskonzept dieses Feld der Einnahmen anzukurbeln.
Dabei wird immer wieder eine Möglichkeit unter den Tisch gekehrt, weil er politisch nicht gewollt ist: Es gibt keine so kurzfristig realisierende und gleichzeitig so nachhaltige Einnahmequelle als die Investition in Erneuerbare Energien. Die Gemeinde Heidenrod macht es seit Jahren vor, wie es geht. Eine Gemeinde, die von ihrer Struktur her in Bezug auf die Kommunalfinanzen mit den vielen Dorfgemeinschaftshäusern und Feuerwehrhäusern wohl einem Himmelfahrtskommando gleicht. Aber ein zentraler Baustein dafür, dass es dieser schönen Gemeinde im kreisweiten Vergleich so gut geht, ist die Windkraft! Das mag hier jetzt vielleicht nicht allen gefallen, aber es ist nun mal so.
Und deswegen kann ich als Fraktionsvorsitzender im Kreistag an alle Kommunen im Rheingau-Taunus-Kreis appellieren: Investiert in Erneuerbare Energien! Wir haben hier viele Windvorranggebiete mit einem unglaublichen Einnahmepotential – Es wird Zeit dieses Potential endlich zu nutzen! Das nützt allen voran euch vor Ort! Aber auch ein Landkreis würde von finanzstarken Kommunen profitieren.
Denn so lange sich einige politische Kräfte von gestern an einem Fetisch namens Schuldenbremse klammern, haben wir nun mal entweder die Möglichkeiten die Einnahmen zu steigern oder die Ausgaben zu senken. Und wenn ich mir den Investitionsbereich unseres Haushaltes so anschaue, dann mussten wir uns auch zum wiederholten Male für Zweiteres entscheiden. Im Rahmen der TO II haben wir heute eine beispielhafte Entscheidung getroffen. Anstatt eine kaputte Straße ordentlich zu reparieren, werden wir diese nur an den Stellen punktuell ausbessern, wo es wirklich nicht mehr anders geht. Und genau das ist das Wesen der Schuldenbremse. Die sieht super toll aus auf dem Blatt Papier, wenn da kein Minus vor den Zahlen steht. Es hat den Anschein einer erstklassigen Haushaltsführung. Die Folgen dieser Politik sehen wir aber nicht auf dem Papier. Wir sehen die Folgen dieser Politik auf unseren Straßen, in unseren Schulen und am Ende in unserer Gesellschaft. Denn das ist das wahre Problem: Die Quittung dieser Politik bekommen wir nicht in der Zeit, wo wir die Schuldenbremse einhalten, sondern in 5, 10 oder 15 Jahren danach, wenn der Investitionsstau sichtbar wird und es Generationen dauern wird diesen Rückstau wieder aufzuholen.
Nach meiner Auffassung sind das die zentralen Aspekte für das Gesamtbild. Aber kommen wir nun zum Kreishaushalt 2025 und was meine Fraktion und ich darüber denken. Bei der Aufstellung eines Kreishaushaltes gibt es unterschiedliche Rollen. Das beginnt damit, dass es die Aufgabe der Kreisverwaltung ist, im Rahmen der Haushaltseinbringung die Diskussion in die Mitte des Parlamentes zu geben. An dieser Stelle muss ich jedoch feststellen, dass die Kreisverwaltung dieser Aufgabe zum wiederholten Male nicht gerecht geworden ist. Uns wurde ein Papier vorgelegt, das meilenweit von einer Genehmigungsfähigkeit entfernt war. Als wir kurz nach Neujahr unsere Haushaltsklausur durchgeführt haben, wurde uns sehr schnell klar, dass wir mit diesem Haushalt nicht viel anfangen können. Es wäre auch ein Armutszeugnis für die Verwaltung, wenn wir Ehrenamtlichen mal eben über die Weihnachtspause das schaffen, was eine erfahrene Verwaltung über viele Monate nicht geschafft hat. Dies kann und ist nicht unsere Aufgabe in diesem Prozess! Es wäre unsere Aufgabe gewesen nach der Haushaltseinbringung in öffentlichen Ausschusssitzungen gemeinsam mit den anderen Fraktionen zu verhandeln und Mehrheiten für politische Projekte zu organisieren.
Beim Kreishaushalt 2025 war dies anders. Anstatt das der Haushalt im Rahmen von öffentlichen Sitzungen debattiert wurde, wurde er debattiert hinter verschlossenen Türen zwischen den Mitarbeitenden der Kämmerei des Rheingau-Taunus-Kreises und den Aufsichtsbehörden. An dem Tisch, an dem der Haushalt letztendlich ausgehandelt wurde, saß kein Parlamentarier, denen das „Königsrecht“ Haushalt zusteht. Diese Tatsache ist ein Skandal!
Wir als Parlamentarier wurden nur noch über die Ergebnisse informiert, es wurde aber auch direkt gesagt – und das meine ich jetzt noch nicht mal negativ dem Landrat gegenüber – dass wir als Kreistag entweder dem Haushalt zustimmen oder es eben sein lassen. Es wurde sehr schnell und auch sehr nachvollziehbar klar gemacht, dass wir doch bitte ja die Finger von Eingriffen in den Kreishaushalt lassen sollen. So viel zum Thema Königsrecht.
Dass die Problematik nicht nur unseren Kreis betrifft, wurde vom Landrat ausführlich dargelegt. Dennoch sollten wir dies nicht einfach stumm zur Kenntnis nehmen, sondern laut und deutlich aufzeigen, dass dies eine Entwicklung ist, die nicht in Ordnung ist. Und dies geht nun an die höheren politischen Ebenen: Wenn ihr uns am langen Arm verhungern lasst, dann stirbt die Demokratie vor Ort.
Wir haben uns als Fraktion letztendlich dazu entschieden uns bei der heutigen Abstimmung zu enthalten. Wir sind absolut unzufrieden mit dem Prozess und müssen zudem feststellen, dass wir die notwendigen Investitionen in die Zukunft mit diesem Haushalt nicht tätigen können. Keine Investitionen, um der Klimakrise entschlossen entgegenzutreten. Keine Investitionen, um den Investitionsstau an unseren Schulen gerecht zu werden. Keine Investitionen in unsere Infrastruktur, die unter der Schuldenbremse leidet.
Es ist sogar noch schlimmer, denn aus den Zahlen ist zu lesen, dass es in naher Zukunft keine Besserung in Sicht ist.
Zum Ende meiner Rede möchte ich den Mitarbeitenden der Kreisverwaltung für die gute Zusammenarbeit danken. Meine Fraktion und ich sind uns vollkommen bewusst darüber, dass das auch für eine Kämmerei alles andere als eine einfache Zeit ist.
Aber gerade an einem Tag wie heute, nach der Wahl gestern und dem traurigen Jahrestag in der Ukraine, müssen wir feststellen: So kann es nicht weitergehen. Es muss sich etwas ändern, sonst werden wir die Haushaltsdebatte nicht dorthin zurückführen können, wo sie hingehört: In die Mitte eines demokratisch gewählten Parlamentes.
Felix Bleuel (Fraktionsvorsitzender) im Kreistag am 24.02.2025